Am 25. Februar 2020 wurde auf Steam das vom Entwickler PortaPlay entwickelte Taktik-RPG Broken Lines veröffentlicht. Unser Autor Steven hat seinen Trupp durch die feindlichen Gebiete befehligt und verrät dir, ob der Trip von Erfolg gekrönt ist.
Was ist Broken Lines? Broken Lines ist ein zum Teil rundenbasiertes Taktik-RPG, welches dich in ein fiktives Zweite Weltkriegs-Szenario versetzt. Deine Aufgabe: Überleben und deinen Trupp zusammenhalten.
Was geht hier vor?
Der Zweite Weltkrieg ist in vollem Gange. Dein Trupp ist hinter feindlichen Linien mit dem Flugzeug abgestürzt. Allerdings weißt du nicht genau, in welchem Land du dich befindest. Ein Vorgesetzter ist ebenfalls nicht vor Ort. Wichtig ist es als erstes, die beiden Flugzeugwracks nach möglichen Überlebenden zu durchsuchen. Und genau hier startet dann auch schon das eigentliche Spiel. Anfangs noch mit zwei, drei Soldaten unterwegs, vergrößerst du dein Team ziemlich bald auf bis zu acht Soldaten. Jetzt zählt nur noch eins, mit heiler Haut Richtung Heimat zu kommen.
Broken Lines versetzt dich in ein alternatives Zweite Weltkriegs-Szenario. Ein unbekannter, maskierter Feind mit osteuropäisch-angehauchter Sprache steht deinen Vorhaben allerdings im Wege. In mehreren Missionen versuchst du nun herauszufinden, wer diese Leute sind, was sie vorhaben und wie du die zivile Bevölkerung vor ihnen schützen kannst. Während und zwischen den Missionen wird die Geschichte über einfach gehaltene aber teils sehr witzige Dialoge fortgeführt. In manchen Dialogen musst du auch eine Entscheidung treffen, welche sich kurzfristig unter anderem auf das soziale Empfinden innerhalb deines Trupps auswirken können.
Es gibt jedoch noch mehr Einflüsse, die das gesamte Spielgeschehen verändern können. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Mission wählst du meist aus drei verschiedenen Möglichkeiten deine Nächste aus. Je nachdem wie du dich entscheidest und welche Missionen du abschließt, bekommst du zum Schluss jeweils ein anderes Ende zu Gesicht. Insgesamt gibt es bis zu sechs verschiedenen Enden zu bestaunen. Dies kommt dem Wiederspielwert sehr zu Gute.
Die Übersicht behalten
Die einzelnen Missionen in Broken Lines spielen sich immer auf kleineren Karten ab. Damit du immer die volle Übersicht hast, kannst du die Karte stufenlos drehen, kippen und innerhalb eines gewissen Bereiches herein- und herauszoomen. Bevor du mit deinen ersten Zügen los legst, solltest du dir auch genau die Karte anschauen. Wo befindet sich das Missionsziel, welche Wege gibt es und wo gibt es die meiste Deckung. Ein gut durchdachtes und geplantes Vorgehen zahlt sich in den allermeisten Fällen aus.
Da deine Mitstreiter nur einen gewissen Sichtradius haben, sieht man zu Beginn auch noch keine feindlichen Einheiten. Das heißt, du musst deine Leute vorsichtig vorrücken lassen um nicht am Ende an einer sehr ungünstigen Stelle von Gegnern umringt zu werden. Anders als Genre-Vertreter wie XCOM, setzt Broken Lines in Sachen Gameplay auf ein teil-rundenbasiertes System.
Zu Beginn ist die Zeit gestoppt und du kannst jeder Einheit bis zu acht aufeinanderfolgende Befehle geben. Beispielsweise lässt du sie erst in eine Deckung laufen, um sie danach für einige Sekunden verschanzen lassen. Nun soll eine Einheit Sperrfeuer geben, um danach zur nächsten Deckung vorrücken zu können.
Ist die Planung abgeschlossen, drückt man den Play-Button. Nun führen alle Einheiten gleichzeitig ihre Befehlsketten aus. Nach acht Sekunden stoppt die Zeit wieder automatisch, ganz gleich, ob die Ketten schon komplett abgeschlossen wurden oder nicht. Die Planungsphase und die Echtzeit-Phase wechseln sich also ständig ab. Sollte einer deiner Einheiten in den acht Sekunden auf einen Feind treffen, unterbricht die Echtzeit-Phase jedoch sofort. Das gibt dir die Möglichkeit, dich auf die neue Situation einzustellen und deine Planung zu überarbeiten.
Spannende acht Sekunden
Außerhalb der Planungsphase läuft wie gesagt alles in Echtzeit ab. In diesen acht Sekunden hast du zudem auch keine Kontrolle mehr über deine Leute. Ein grober Fehler in der Planung und du bist Kanonenfutter. Und glaube mir, acht Sekunden Kontrollverlust können verdammt lang sein. Dies musste ich das ein oder andere Mal schmerzlich erfahren. Geht hingegen deine Planung auf und du setzt beispielsweise einen Gegner per Sperrfeuer fest, flankierst ihn und besiegst diesen dann mit einer anderen Einheit, fühlt sich das ziemlich gut an. Nicht „40. Boss-Try Dark Souls“ gut, aber unglaublich motivierend.
Jeder deiner Soldaten hat zu Beginn der Kampagne eine bestimmte Waffe. Im Laufe des Spiels kannst du zwischen den Missionen aber auch bessere Waffen und Ausrüstungsgegenstände bei einem Händler kaufen. Diese kannst du dann nach Belieben deinem Trupp zuordnen. Allerdings solltest du ein wenig im Auge behalten, ob die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten auch dazu passen.
Eigenschaften sind besondere Skills, die im Laufe des Spiels für bestimmte Soldaten dauerhaft freigeschaltet werden. Diese sind vergleichbar mit passiven Verbesserungen, die dauerhaft aktiv sind. Fähigkeiten hingegen sind Verbesserungen, die man einem beliebigen Soldaten manuell zuweisen kann. Während einer Mission müssen diese allerdings auch separat aktiviert werden und besitzen einen Cooldown-Timer. Sie bieten zudem auch nur einen kurzzeitigen Boost, wie beispielsweise eine erhöhte Sichtweite.
Achte auf deinen Squad
Ihr solltet auf jeden Fall ein Augenmerk auf die Eigenschaften legen, denn diese entscheiden am Ende auch, wie effizient euer Team ist. Wie präzise schießt jemand. Alleingänger sind langsamer und unpräziser, wenn ein Teammitglied direkt neben ihm steht. All das sind Faktoren die, besonders auf den höheren Schwierigkeitsgraden, am Ende über Sieg oder Niederlage entscheiden. Daher darfst du das Squad-Management auf keinen Fall vernachlässigen.
Als wäre das nicht alles schon schwierig genug, musst du einen weiteren wichtigen Punkt im Auge behalten. Deine Soldaten sind nicht einfach nur willenlose Figuren auf einem Schachbrett. Jeder Einzelne hat ein Gewissen, jeder hat Ängste und geht mit schwierigen Situationen anders um. Stehen sie unter Dauerbeschuss, verfallen sie kurzzeitig in Panik und rennen aus ihrer Deckung. Sinkt die Beherrschung zu sehr, kann es sogar vorkommen, dass sie deine Einheit verlassen und für das restliche Spiel nicht mehr zur Verfügung stehen.
Sinkt die Gesundheit eines Soldaten während einer Mission auf null, liegen diese am Boden. Deine Kameraden können diesem zwar aufhelfen, passiert das jedoch zu oft, ist der Soldat verletzt und kann für ein bis zwei Missionen nicht mehr genutzt werden. Im schlimmsten Fall kann der verwundete Soldat jedoch auch sterben und damit nicht mehr genutzt werden.
Liebevoll gestaltete Spielwelt
Optisch ist Broken Lines ganz ansehnlich. Es setzt die Messlatte definitiv nicht hoch, die einzelnen Karten sind aber sehr liebevoll gestaltet und bieten viele kleine und nette Details. Zoomt man jedoch etwas näher an das Geschehen heran, zeigt sich, dass beispielsweise die Figuren oder Objekte wie erwartet nicht so detailliert sind. Das verringert aber keinesfalls den Spaß, den man mit dem Spiel hat. Auch grafisch kann man sich dabei an die Konkurrenz wie XCOM orientieren. Trotzdem schaffen es die Entwickler eine sehr glaubhafte Umgebung zu schaffen.
Die Charakterporträts während der Mission und in den Dialogen sind hingegen in einem sehr witzigen Comicstil gehalten. Je nach Gefühlslage des jeweiligen Soldaten verändert sich auch die Mimik und trägt seinen Teil zu der einzigartigen Atmosphäre bei. Als kleine Besonderheit verändert sich das Porträt je nachdem, wie es deinem Soldaten geht. Wird er während einer Mission stark getroffen, schaut die Figur etwas verbissener drein und ist mit kleinen blutigen Wunden verziert. Auch diese kleinen Details wissen wirklich zu gefallen.
Die Kehrseite der Medaille
Nach all den Lobeshymnen sollte ich jedoch auch die weniger guten Dinge erwähnen. So plagte ich mich des Öfteren mit Soldaten herum, die nicht dorthin gelaufen sind, wohin sie sollten. Stattdessen hingen sie in der letzten Deckung einfach fest. Auch das steckenbleiben an anderen Soldaten habe ich das ein oder andere Mal mitbekommen. Dies ist vor allem dann ärgerlich, wenn man eine längere Planungsphase hinter sich hat. So sollte die festhängende Figur die Deckung wechseln, um ein Sperrfeuer durchzuführen, während eine weitere Einheit den Gegner flankieren sollte. Doof wenn dann das Sperrfeuer ausbleibt und meine Einheit offen in den Gegenbeschuss läuft.
Auch die Wegfindung ist ab und zu, vermutlich dem Gelände geschuldet, etwas fragwürdig. So kann die Einheit mal über einen kleinen Zaun springen und mal läuft sie komplett um den Zaun herum, beziehungsweise läuft einen Meter nach links und springt dann erst darüber. Das ist manchmal etwas ärgerlich, da der Laufweg länger ist und dadurch eine mögliche wichtige Aktion später als erforderlich ausgeführt werden kann.
Normalerweise schießen deine Soldaten immer auf den am nächsten stehenden Feind. Hier ist der Wechsel zwei, drei Mal nicht so sauber abgelaufen. Wurde ein fliehender Feind beschossen, wurde erst später der am nächsten gelegene Feind attackiert, der beispielsweise gerade um die Ecke gelaufen kam. So war ich sofort dem feindlichen Feuer für einige Sekunden ausgeliefert. Dies war aber zum Glück nur die Ausnahme und auch wie gesagt nur in ein, zwei Szenen aufgefallen.
Mein Fazit
Trotz der aufgezählten Mängel hatte ich eine Menge Spaß an Broken Lines. Die taktische Tiefe eines XCOM gepaart mit dem Squad-Management eines Darkest Dungeon funktioniert wirklich gut. Es macht Spaß, seinen Squad auszurüsten und eine optimale Zusammenstellung zu finden. Wenn ich dann während der Mission auch noch eine lange Aktionskette plane und damit in kürzester Zeit einige Feinde besiege, ohne Schaden zu nehmen, dann ist das ein unglaublich tolles Gefühl und motiviert ungemein.
Schade, dass die Kampagne dann leider verhältnismäßig schnell vorbei ist. Keine neun Stunden habe ich für den ersten Spieldurchlauf benötigt. Dabei habe ich mir beim Testen schon viel Zeit gelassen, um alle Möglichkeiten und taktischen Finessen herauszufinden. Natürlich spreche ich hier von einem Indie-Titel, welches aktuell zu einem regulären Preis von knapp 25 Euro auf Steam erhältlich ist. Dafür geht die Spielzeit schon in Ordnung.
Da ich aber wirklich viel Spaß hatte, hätte ich natürlich sehr gerne noch mehr Missionen gespielt. Solange noch keine DLCs angekündigt, beziehungsweise in Planung sind, kann ich aber noch einige Stunden Spielzeit herausschlagen. Schließlich erlebt man im ersten Durchlauf nur gut ein Drittel aller Missionen. Und auch die anderen Enden wollen noch erspielt werden.
Für wen eignet sich Broken Lines? Fans des Genres können eigentlich bedenkenlos zugreifen. Broken Lines erreicht nicht ganz das spielerische Niveau eines XCOM. Durch sein glaubwürdig inszeniertes Zweite Weltkriegs-Setting und ein sehr gut umgesetztes teil-rundenbasiertes Kampfsystem, macht das Spiel trotzdem eine Menge Spaß.
Sollte die Planungskomponente eher nicht so dein Fall sein und du lieber auf rundenbasierte Kämpfe à la Final Fantasy stehst, würde ich dir jedoch eher von Broken Lines abraten.