Während größere Publisher den Unterdruck in ihren Gamer-Melkmaschinen bis ins Unerträgliche erhöhen zu wollen scheinen, besinnt sich die Indie-Szene mehr und mehr auf eine alte Gepflogenheit: kostenlose Demos. Das jüngste Beispiel hierfür sind Primary Games aus Russland, die König Kunde abermals einen spielbaren Happen aus ihrem Horror-Adventure Never Again herausgeschnitten haben. Wir haben ihn probiert – und machten allesamt ein recht zufriedenes Bäuerchen.
Traurig, aber wahr
Anders als den meisten spielerischen (oder auch filmischen) Horrorgeschichten liegt Never Again eine wahre Begebenheit zugrunde: die Geschichte von Sasha Anders. Ob der Name der im Spiel 13-Jährigen hierzulande größere Bekanntheit genießt, scheint gleichermaßen fraglich wie unwichtig. Von Bedeutung ist nur, dass Primary Games hier das vermeintlich schwere Schicksal eines asthmakranken Mädchens verarbeiten – mit dem fühlbaren Anspruch, in erster Linie ein gutes Spiel zu entwickeln.
Anstatt also auf den Pfaden eines That Dragon, Cancer zu wandeln, treten die Entwickler vielmehr in die Fußstapfen von Adventure-Klassikern wie Baphomets Fluch, sodass ihr für Sashas Horrorabenteuer eine gewisse Denkbereitschaft (und auch gute Englisch-Kenntnisse) mitbringen solltet. Noch etwas deutlicher gesprochen: Wenn ihr DiMAS Erinnerungspuzzles in Fallout 4 nur unter Zuhilfenahme eines YouTube-Videos lösen konntet, dürftet ihr in Never Again echte Probleme bekommen.
Kind sein erlaubt
Zum Beispiel gleich am Anfang, wenn Sasha die unerwartete Feststellung macht, dass sie „allein Zuhaus“ ist. Wo sind ihre Eltern – und wo ist ihr Bruder? Sie alle sollten jetzt unten am Esstisch sitzen, doch statt Tischgeräuschen und vertrauten Stimmen erfüllt nur eine bedrückende Finsternis die Wohnung. Für den Moment ist dies jedoch nebensächlich, denn Sasha hat einen Asthma-Anfall. Wenn sie ihr Spray nicht schnell genug findet, wird sie ersticken … Und wo zum Teufel ist das Spray?
Keine Bange, es ist irgendwo in ihrem ungewöhnlich interaktiven Zimmer. Hier könnt ihr u.a. Sashas Teddy durch die Gegend werfen, ihren Schrank entriegeln, die Kleidung beiseite schieben, die Schuhe ausräumen und – bei Bedarf – sogar einen Turm aus Stühlen bauen. Interaktion und Physik werden in Never Again grundsätzlich großgeschrieben, sodass euch in Sachen Rätsel einige neue Ansätze begegnen werden. Sobald euch der Kleiderschrank in eine mit Mystery Horror vollgestopfte Paralleldimension gespuckt hat, ist es allerdings eh vorbei mit den Konventionen.
Sasha im Rätselland
Denn dort reiht sich, gleich einem Albtraum, (Rätsel-)Szenario an Szenario; ineinander übergehend, doch ohne jeden erkennbaren Zusammenhang. Auf eine morbid wirkende Höhle folgt eine vermeintlich unpassierbare Bretterbrücke, dann eine Art Leuchturm und ein befremdlicher Wald. Was auch immer Sasha Glauben macht, sie könne ihre Verwandten an diesem launischen Ort finden: immer tiefer treibt sie es in diese stetig abstrakter und düsterer werdende Welt.
Schon seit zwei Jahren widmen sich Primary Games der Aufgabe, dem kleinen Mädchen das Leben zur Hölle zu machen – die Veröffentlichung des Spiels ist für Ende 2017 vorgesehen. Bis dahin bitten die Jungs und Mädels um eure Unterstützung via Patreon, denn kleine Indie-Entwickler haben es schwer. Vor allem dann, wenn sie – wie in diesem Falle – full-time entwickeln möchten anstatt „Zeit auf der Arbeit zu verschwenden“. Und wenn das mal keine unterstützenswerte Einstellung ist…